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Familie Kissinger

Heinz Alfred Kissinger, besser bekannt als der ehemalige amerikanische Außenminister „Henry Kissinger“, hat seine Wurzeln in Rödelsee. Der Nachname „Kissinger“ wurde von seinem Ur-Ur-Großvater Meyer Löb (1767–1838) im Jahre 1817 angenommen und bezieht sich auf die Stadt Bad Kissingen, wo Meyer Löb als Lehrer arbeitete.

Familie Kissinger

Der Stammbaum der Meyer Loeb (Kissinger) geht bis 1746 zurück.

Meyer Löb Kissinger wurde 1760 (andere Quellen sprechen von 1767) in Kleineibstadt bei Bad Königshofen geboren. Verstorben ist er am 9. August 1838 in Rödelsee. Seine erste Frau verstarb bei der Geburt des zweiten Kindes. Er heiratete dann die Schwester und am 29.10.1818 wurde in Rödelsee Abraham Kissinger geboren.

Meyer Löb arbeitete später als Lehrer in Bad Kissingen und Rödelsee. Er war der erste, der den Namen „Kissinger“ annahm. Auf Grund der Bestimmungen des bayrischen Judenedikts von 1813. Es verpflichtete jüd. Familien zur Annahme von Familiennamen. Häufig wurden dann Ortsnamen dem Vornamen angefügt.

Abraham Kissinger hatte mit seiner Frau Fanny (geb. Stern) neun Kinder, die alle in Rödelsee geboren wurden. In ihrem Geburtsort blieb keines der Kinder. Die meisten waren Lehrer und gingen so in andere Gemeinden und Orte.

David Kissinger (Großvater von Henry)

David Kissinger (geb. 13. Juni 1860 in Rödelsee, gest. 23. Juli 1947 in Schweden) war von Beruf Lehrer und Rabbiner.

Er heiratete die drei Jahre jüngere und aus einer wohlhabenden Familie stammende Karolina „Lina“ Zeilberger. Vor der Hochzeit musste David Kissinger jedoch erst die Bürgerrechte in der Stadt Ermershausen erwerben, gemäß den damaligen Gesetzen. Da die Tochter eines vermögenden Landwirtes 10.000 Goldmark Mitgift mit in die Ehe bringt, zeigen sich die Behörden „entgegenkommend“. Am 13. Juli 1884 erhält David Kissinger in dem unterfränkischen Ort Ermershausen, in der Nähe von Haßfurt, das Bürgerrecht. Kurze Zeit darauf heiraten David und Lina Kissinger. Aus der Ehe entstammen insgesamt sieben Kinder: Jenny, Ida, Selma, Fanny, Karl, Arno und Louis.

David Kissinger wird als lebensfroher Mensch mit einem ausgeprägten Sinn für Humor beschrieben. Nach jedem Schabbesende am Samstagabend trifft sich David Kissinger mit dem örtlichen Schneidermeister und Schuhmacher auf ein feucht-fröhliches Kartenspiel in der Dorfgaststätte. Zwar zählt David Kissinger zur orthodoxen Gemeinde, vieles spricht aber dafür, dass er eher ein „Mann der Moderne“ war. Die Familie Kissinger war in Ermershausen auch eine der ersten Familien, die über einen eigenen Telefonanschluss verfügten.

Louis Kissinger (Vater von Henry)

Louis Kissinger (geb. 2. Februar 1887 in Ermershausen, gest. 19. März 1982 in New York) war von Beruf Lehrer und der Vater von Henry Kissinger. Louis Kissinger wird als zweitältester Sohn von David und Lina Kissinger geboren. Seine Jugend verbringt Louis sorglos im unterfränkischen Ermershausen, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Haßfurt. Louis ist der erste Kissinger, der gewissermaßen eine Familientradition bricht, in dem er nicht mehr ausschließlich den Beruf des sog. „Judenlehrers“ erlernt, sondern Lehrer im öffentlichen Dienst werden will und damit auch nichtjüdische Kinder unterrichten möchte.

Ausbildung und Lehre

Im Jahr 1900 kommt Louis Kissinger mit nur 13 Jahren auf die königliche Präparandenschule in Arnstein. Die Präparandenschule ist um die Jahrhundertwende eine Art untere Stufe der Volksschullehrerausbildung. Bereits 1901 zählt er zu den „Besten seines Kurses“. Sein Jahreszeugnis zählt noch weitere positive Eigenschaften auf, u. a. heißt es darin: „Durch seine vielen Geistesanlagen, … seinen lobenswürdigen Hausfleiß, verbunden mit Eifer und Aufmerksamkeit beim Unterricht, hat er in allen Gegenständen die Zufriedenheit seiner Lehrer erworben. Sein religiössittliches, sein disziplinäres Verhalten war durchaus tadelfrei“.

Kissingers Berufsleben in Fürth

Mit 18 Jahren bewirbt sich Louis Kissinger zum ersten Mal um eine Lehrerstelle und kommt somit auch zum ersten Mal mit Fürth in Berührung. Er bewirbt sich beim Vereinigten Heberlein’schen und Arnstein’schen Institut, das 1848 von Simon Geiershöfer als Privatinstitut für Mädchen gegründet wurde und 1883 mit der privaten Heberleinschen Töchterschule zusammengeführt wurde. Es ist die erste private höhere Mädchenschule in Fürth, die ursprünglich für Töchter aus jüdischen Häusern gegründet wurde. Um die Jahrhundertwende wurden auch Schülerinnen des christlichen Glaubens zugelassen, so dass die eine Hälfte jüdischen und die andere Hälfte christlichen Glaubens war, meist des evangelischen. Nach knapp 60 Jahren schließt 1907 die Schule ihre Pforten.

Henry Alfred Kissinger (geb. 27. Mai 1923 in Fürth als Heinz Alfred Kissinger)

Henry Kissinger wurde als Heinz Alfred Kissinger im mittelfränkischen Fürth in der Mathildenstraße 23 in eine jüdische Familie geboren. Sein Vater Louis Kissinger (1887–1982) unterrichtete am Fürther Lyzeum Geschichte und Geografie, seine Mutter Paula Kissinger (geb. Stern) (1901–1998) war die Tochter eines wohlhabenden jüdischen Viehhändlers aus Leutershausen nahe Ansbach. Der Nachname war von seinem Ur-Ur-Großvater Meyer Löb (1767–1838) aus dem unterfränkischen Kleineibstadt im Jahre 1817 angenommen worden und bezieht sich auf die Stadt Bad Kissingen.

Seine Kindheit verbrachte Henry Kissinger mit seinem ein Jahr jüngeren Bruder Walter Bernhard (1924–2021) in Fürth, wo die Familie von 1925 bis 1938 in der Marienstraße 5 wohnte. Kissinger war seit seiner Kindheit ein großer Fußballfan und spielte in der Jugend der SpVgg Fürth (heute SpVgg Greuther Fürth), deren Fan er bis heute ist. Später erinnerte er sich lebhaft daran, wie ihm 1933 als Neunjährigem mitgeteilt wurde, Adolf Hitler sei zum deutschen Reichskanzler ernannt worden, was sich als grundlegender Wendepunkt für die Familie Kissinger herausstellen sollte.

Als Kissinger 15 Jahre alt war, floh er 1938 mit seiner Familie vor der nationalsozialistischen Verfolgung aus Deutschland. Mehrere Verwandte der Familie Kissingers wurden später von den Nationalsozialisten ermordet. Die Familie hielt sich nach der Emigration kurze Zeit in London auf, bevor sie am 5. September 1938 in New York City ankam. Kissinger ging mit seinem Bruder Walter in New York City, im damals deutsch-jüdisch geprägten Ortsteil Washington Heights von Manhattan, auf die George Washington High School. Seinen ausgeprägten deutschen Akzent im Englischen und seinen fränkischen Dialekt im Deutschen hat er nie verloren – nach eigener Aussage aufgrund seiner jugendlichen Schüchternheit.

Am 19. Juni 1943 erhielt Kissinger die Staatsbürgerschaft der USA, nachdem er im selben Jahr zum Militärdienst bei der U.S. Army eingezogen worden war. Im Jahre 1944 lernte Kissinger im Ausbildungslager Camp Claiborne (Louisiana) den damals 36-jährigen Juristen und Politologen Fritz G. A. Kraemer kennen, der wie er in der 84. US-Infanteriedivision diente und ebenfalls ein deutscher Emigrant war.

Diese Begegnung wurde für Kissingers weiteren Weg prägend. „Während der folgenden Jahrzehnte beeinflusste Kraemer meine Lektüre und mein Denken, beeinflusste die Wahl meiner Universität, weckte mein Interesse für politische Philosophie und Geschichte, inspirierte meine akademischen Abschlussarbeiten (both my undergraduate and my graduate theses) und wurde überhaupt zu einem integralen und unverzichtbaren Teil meines Lebens. […] Seine Inspiration blieb mir sogar in den zurückliegenden 30 Jahren erhalten, als er nicht mehr mit mir reden wollte“, erklärte Kissinger nach Kraemers Tod im Jahre 2003.

Das Haus in dem die Kissingers in Rödelsee wohnten befand sich am Ende der damaligen „Judengasse“ (heute Zehntgasse)

Die Grabsteine der Ur-Großeltern sind heute noch auf dem Friedhof in Rödelsee sichtbar. Leider ist die Inschrift kaum noch zu erkennen. Aber aus den Aufzeichnungen und Friedhofsbüchern ist die Zuordnung nachzuvollziehen.

 

Peter Hess

Henry Kissinger als US-Außenminister (1973) Foto: Wikipedia, gemeinfrei

Henry Kissinger im Weißen Haus, April 1975 Foto: Wikipedia, gemeinfrei

Grabsteine der Familie Kissinger (Fanny 1824 – 1892 und Abraham 1818 – 1899) auf dem Jüdischen Friedhof Rödelsee Foto: Peter Hess

Quellenangabe(n)

Recherchen aus Wikipedia und Staatsarchiv München, Felicia Englmann