In Wiesenbronn erblickte einer der profiliertesten Rabbiner des 19. Jahrhunderts das Licht der Welt. Der im Jahre 1807 geborene Seligmann Bär Bamberger machte sich vor allem einen Namen als Verfechter des talmudtreuen, orthodoxen Judentums und erhielt den Ehrentitel „Würzburger Raw“.
Seligmann Bär Bamberger
„… von Wiesenbronn nach Würzburg mit 9 Köpfen verzogen …“
Der „Würzburger Raw“ Seligmann Bär Bamberger
In Wiesenbronn erblickte einer der profiliertesten Rabbiner des 19. Jahrhunderts das Licht der Welt. Der im Jahre 1807 geborene Seligmann Bär Bamberger machte sich vor allem einen Namen als Verfechter des talmudtreuen, orthodoxen Judentums und erhielt den Ehrentitel „Würzburger Raw“.
Er wurde am 6. November 1807 als Sohn des Händlers Simon Veitel geboren. Simon Simcha Veitel, der Vater Bär Bambergers, war „Handelsjud“ und vertrieb vor allem Schnitt- und Ellenwaren, also alle Arten von Stoffen, Borten und Bändern, die je nach Bedarf des Kunden von einem Ballen abgeschnitten werden.
Seligmann Bär besuchte ab 1813 die jüdische „Winkelschule“ in der Synagoge. Dort wurde er vom Ortsrabbiner Gerson Levi in die Lehren des Talmuds und der Thora eingeführt. Seinerzeit besuchten die Judenkinder noch nicht die allgemeine Dorfschule am Kirchberg. Das war erst ab 1821 der Fall.
Bald nach seiner Bar Mizwa (Religionsmündigkeit) im Alter von 13 Jahren, schickten die Eltern ihren Sohn ab 1822 nach Fürth in die berühmte Talmudhochschule. Von dort kehrte er zu Beginn des Jahres 1827 mit dem Rabbinerdiplom nach Wiesenbronn zurück. Kurz drauf starb sein Vater und Bär Bamberger unterstützte zunächst seine Mutter in ihren Handelsgeschäften. In Anbetracht der bevorstehenden Eheschließung mit Kela Wormser, Tochter des Rabbiners Seckl Wormser in Fulda, übergab ihm seine Mutter im Jahre 1829 das Anwesen und zog sich aufs Altenteil zurück. Wie es seinerzeit üblich war, musste auch Bär Bamberger vor seiner Eheschließung ein Leumundszeugnis der Gemeindeverwaltung vorlegen. Dieses hatte folgenden Wortlaut:
„Dem Seligmann Bär Bamberger, einziger Sohn des königl. baier. Unterthans u. Schnittwarenhändlers Simon Veitel Bamberger (durchgestrichen sind diese Worte: welcher sich dermalen in Fürth befindet), wird der Wahrheit gemäß bezeugt, daß er während seines dahisigen Aufenthaltes und seiner Jugendzeit, die er hier verlebte, sich eines untadeligen u. unbescholtenen Lebenswandels beflissen und überhaupt sich recht brav verhalten habe, daß man ihm nicht das Geringste Anstössige zur Last legen, vielmehr alles Lob ertheilt werden kann.
Wiesenbronn, den 14. Januar 1827
Der Gemeindeausschuß“
Nicht zuletzt mit der Mitgift seiner Braut war Bamberger in der Lage, in seinem Haus einen Kramladen einzurichten. Für ihn kam es nicht in Frage, ähnlich wie sein Vater, als Handelsjude über Land zu ziehen und das oft für mehrere Tage. Für ihn stand das lebenslange Studium der Thora und des Talmuds im Focus und bei den langen Fußmärschen und langwierigen Handelsgeschäften wäre ein intensives Studium kaum möglich gewesen.
Deshalb wandelte Bär Bamberger das Hausier- und Warenhandelsgeschäft seiner Eltern in ein Ladengeschäft um und richtete einen Kramladen ein, dessen Betrieb überwiegend seine tüchtige Frau übernahm. So gewann er Zeit für sein geliebtes Thorastudium.
Sein Wissen und seine Gelehrsamkeit brachten es mit sich, dass Bamberger 1840 zum Distriktsrabbiner von Würzburg gewählt wurde und dort seinen Wohnsitz nahm.
Rabbiner Bamberger lag vor allem die Erziehung der Kinder und Jugendlichen im jüdischen Glauben am Herzen. Nachdem er zuvor eine Talmudschule ins Leben gerufen hatte, gründete er 1856 die private „Israelitische Erziehungs- und Unterrichtsanstalt“, eine sechsklassige Volksschule für Jungen und Mädchen, die den Vorgaben der Behörden für öffentliche Schulen entsprach. Und weil für den Unterricht selbstverständlich qualifizierte Lehrer benötigt wurden, folgte der Volksschule 1864 die Gründung des ersten Lehrerseminars, die „Israelitische Lehrerbildungsanstalt in Würzburg“.
Die Leidenschaft von Rabbiner Bamberger erstreckte sich aber nicht nur auf die Erziehung der Jugend. Er wollte, dass jeder Jude nach den Gesetzen und Geboten der Religion lebe. Dazu mussten sie sie aber kennen. So hielt Rabbiner Bamberger jeden Schabbath Vorträge über die Religion im Alltag und verfasste drei Bücher in leicht verständlicher Sprache, in denen er die jüdischen Gesetze und Gebote erklärte. Sein Wirken reichte sogar bis in das Heilige Land. Regelmäßig schickte er Geld dorthin und regte den Bau des ersten jüdischen Krankenhauses an, lange bevor Theodor Herzl den Gedanken an einem jüdischen Staat gehegt hat.
Am zweiten Tag des Laubhüttenfestes 1878 starb der Würzburger Raw während des Gottesdienstes und wurde einen Tag später in Höchberg auf dem dortigen jüdischen Friedhof zu Grabe getragen.
Was unterscheidet diesen großen Rabbi nun von anderen orthodoxen Rabbinern des 19. Jahrhunderts, so dass er heute noch in lebendiger Erinnerung ist? Es ist nicht allein seine große Gelehrsamkeit, seine Frömmigkeit, sein Engagement für Kinder und Jugendliche und seine Gemeinde sowie die Mildtätigkeit für Kranke im Heiligen Land.
Es ist die Weltoffenheit, die seine Frömmigkeit auszeichnet. Tief verwurzelt im Glauben und der Begeisterung, sah er die Veränderungen seiner Zeit in der ihm umgebenden Gesellschaft und nahm sie an. Orthodox und weltoffen war er, eine Haltung, die für seine Zeit unter den orthodoxen Rabbinern wohl eher selten gewesen sein mag.
Die Zeit, in der Juden in Ghettos zu leben gezwungen waren, war in allen deutschen Ländern vorbei. Ein laues Lüftchen der Emanzipation wehte bereits, auch wenn bis zur völligen rechtlichen Gleichstellung der Juden noch viele Jahre vergehen sollten – in Bayern erst mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871.
Die jüdische Gemeinde Würzburg folgt in ihrer Ausrichtung dem großen „Würzburger Raw“ noch heute: orthodox und weltoffen. Im Mittelpunkt der Gemeinde steht seit 1970 die Synagoge, die, ebenso wie das Gemeindezentrum 2006, erheblich erweitert wurde und nun dem Bedarf der angewachsenen Anzahl von Gemeindemitgliedern entspricht. Das so entstandene Gemeindezentrum erhielt den Namen „Schalom Europa“.
Reinhard Hüßner