Bei der Verlegung der Stolpersteine für die Familie Rindsberg konnte der einzige überlebende Sohn Walter selbst teilnehmen. Er konnte 1943 US-Staatsbürger werden und überlebte so den Holocaust. Seine Eltern und seine beiden Brüder wurden im Konzentrationslager ermordet.
Walter Werner Reed (Rindsberg)
„Zerstörte Leben kann man nicht ersetzen“
Wir beginnen mit der Verlegung der Stolpersteine in Mainstockheim Mühlweg 9 vor dem früheren Wohnhaus der Familie Rindsberg am 20. November 2011, in Anwesenheit u.a. von Bürgermeister Karl-Dieter Fuchs sowie Vertretern des Fördervereins der ehemaligen Synagoge Kitzingen sowie der katholischen Gemeinde St. Gumbert, die die ehemalige Synagoge heute als katholische Kirche nutzt. Die Stolpersteine wurden verlegt im Gedenken an seine ermordeten Eltern Siegfried und Rika Rindsberg und seine beiden Brüder Herbert und Kurt.
Zur Biographie von Familie Rindsberg ein aktualisierter Auszug aus dem Bericht der Main-Post Kitzingen vom 23. November 2011:
„Siegfried Rindsberg war Weinhändler und Mitgründer und Vorsitzender des 1. FC Mainstockheim. Schon während der Pogromnacht 1938 wurden er und sein Sohn Werner verhaftet. Der Sohn wurde nach drei Tagen wieder freigelassen, der Vater für mehrere Wochen nach Dachau verschleppt. Die betagte Mutter von Siegfried Rindsberg verstarb kurz nach der Deportation der Familie 1942 in einem Würzburger Altenheim. Als einziger aus der Familie überlebte Werner Rindsberg den Naziterror. Bis zu seinem Tod im Jahr 2016 lebte er unter dem Namen Walter W. Reed in der Stadt Wilmette im Bundesstaat Illinois in den USA. Überleben konnte er nur, weil ihn sein Vater damals zum Schulbesuch nach Belgien geschickt hatte. Nach Kriegsbeginn im Jahr 1940 gelang es dem damals 16- Jährigen zusammen mit rund 100 anderen Kindern die Flucht nach Südfrankreich, wo sie, bekannt geworden als „die Kinder von La Hille“, auf abenteuerliche Weise den Krieg überstanden.
In einem Brief, den Günter Voit verlas, dessen Großvater eng mit der Familie Rindsberg zusammengearbeitet hatte, schickt Reed seinen Dank nach Mainstockheim. Reed schrieb, sein Vater sei ein ehrenhafter Arbeitgeber und ein beliebter Mitbürger gewesen, seine Brüder Herbert und Karl zwei anständige Jungs, denen das Leben allzu bald weggenommen worden sei und seine Mutter sei als geachtete Hausfrau bekannt gewesen.
Was ihnen und Millionen unschuldigen Opfern geschehen sei, könne niemand rückgängig machen. „Zerstörte Leben kann man nicht ersetzen“, so Reed in seinem Schreiben. Das Setzen solcher Stolpersteine sei die einzige Möglichkeit, das damalige Unrecht auszugleichen. Dafür wollen er und seine Familie der Gemeinde Mainstockheim ihre tiefe Dankbarkeit und Bewunderung übermitteln“.
Demonstrativ hielt Reed bei seiner Rede als Zeichen der Verbundenheit zu seiner Heimat Deutschland und speziell Mainstockheim seinen neu erworbenen deutschen Reisepass hoch. Reed hielt immer wieder enge Kontakte nach Kitzingen und Mainstockheim, recherchierte umfangreich die Geschichte und die Zeitumstände seiner Familie und reiste immer wieder nach Deutschland, um an Schulen seine Geschichte zu erzählen.
Mit einer Delegation aus dem Landkreis Kitzingen besuchte er 2007 das ehemalige Konzentrationslager Izbica in Polen und enthüllte einen Stein in Gedenken an die fränkischen Juden. Unermüdlich ging er in die Schulen, sowohl in Deutschland und in den USA und stellte sich den Fragen. Immer bemüht um Aufklärung und nie anklagend.
Übrigens, mein Erstkontakt entstand 1981, als ich Walter Reed anschrieb. Das war der Beginn einer langen freundschaftlichen Verbindung und Ursprung seiner Recherchen über seine Vergangenheit und die seiner Familie.
Günter Voit