Durchgehend über 400 Jahre haben in Mainstockheim Juden gewohnt. Seit im Jahr 1942 die letzten sechs jüdischen Familien von den Nationalsozialisten deportiert wurden, wurde im Ort nicht mehr öffentlich über die Zeit mit den Juden gesprochen.
Das änderte sich erst im November 2006. Fast 100 Besucher aus allen Generationen kamen auf Initiative der kath. Gemeinde St. Gumbert sowie Bürgermeister Karl Dieter Fuchs zu einem Gesprächsabend zum Thema „Juden in Mainstockheim“ in den Rathaussaal. Die ehemalige Synagoge, 1938 nach der Reichspogromnacht aufgelassen, ist seit 1956 die katholische Kirche in Mainstockheim. Der Kitzinger Michael Schneeberger, Mitglied der israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, berichtete über seine Nachforschungen mit Bildern und Kartenmaterial. Die Quellenlage ist gut, da die Matrikelbücher der jüdischen Gemeinde mit den Eheschließungen, Geburten und Sterbedaten schon immer bei der politischen Gemeinde verwahrt wurden. Schneeberger berichtete an vielen kleinen Beispielen über die gute Integration in die Dorfgemeinschaft bis hin zur verborgenen Unterstützung durch andere Mainstockheimer.
Zeitweise waren die Juden in Mainstockheim bis zu 15 Prozent der Bevölkerung und die größte jüdische Gemeinde in Unterfranken. Sie lebten bis zuletzt in enger Nachbarschaft mit der übrigen Bevölkerung als Wein- oder Viehhändler, aber auch als arme Tagelöhner. 1540 kamen die ersten Juden nach ihrer Vertreibung aus dem Hochstift Würzburg in den Weinort am Main, geduldet und unterstützt vom Markgrafen von Ansbach sowie einigen anderen u.a. den Freiherrn von Bechtolsheim aus Mainsondheim. Von 15 Judenfamilien 1695, ab 1760 begünstigt durch die Vertreibung der Juden aus Kitzingen, stiegen die Zahlen deutlich an. Gut war, dass die Juden ihre bei den Leuten beliebten Waren auch während der Vertreibung trotzdem auf dem Markt in Kitzingen verkaufen konnten.
Kurz nach dem Neubau der Synagoge 1837 erreichte die Gemeinde mit 212 Personen den Höchststand. Als 1861 die Juden wieder in Kitzingen wohnen durften, gingen viele zurück oder siedelten in andere Städte des deutschen Reiches um. 1933 zählte die Gemeinde noch 74 Mitglieder.
Bei der Generalsanierung der katholischen Kirche im Jahr 2003 wurde bei der Neugestaltung der bauliche Charakter und die Regeln des jüdischen Gotteshauses in Bezug auf die im Alten Testament der Bibel verbotene bildliche Darstellung von Gott berücksichtigt. Das Schmuckstück ist das farbige Rundbogenfenster über dem Ort, wo früher die Tora stand, aus dem Jahr 1836.
Besondere herausragende Persönlichkeiten in der jüngeren Geschichte der jüdischen Gemeinde waren zum einen der letzte jüdische Lehrer Siegbert Friedmann und Walter Reed aus der Mainstockheimer Familie Rindsberg. Für Lehrer Friedmann und seine Familie gab es im Herbst 2022 die Verlegung von sog. „Stolpersteinen“ vom Bayrischen Lehrer- und Lehrerinnen Verband vor der ehemaligen Synagoge, für Familie Rindsberg im Mühlweg erfolgte diese am 18. November 2011, wo auch Walter Reed als einziger Überlebender der Familie aus den USA gekommen war und eine sehr persönliche Ansprache hielt, an die sich viele heute noch erinnern. Vater Siegfried Rindsberg war Mitbegründer des örtlichen Fußballvereins FC Mainstockheim.
Günter Voit