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Friedhof

Die jüdische Gemeinde Rödelsee

Schon in aller frühesten Zeiten lebten Juden in Rödelsee. So war 1395 ein Jüdischer Schriftgelehrter in Rödelsee geboren, der an der reich illustrierten „Pentateuch“ (griechischer Ausdruck für die 5 Bücher Moses im Alten Testament) mitwirkte.

 

1432 wurde erstmals der Jüdische Bezirksfriedhof Rödelsee erwähnt. Bis 1942 fanden hier die Beisetzungen der Juden aus über 20 Gemeinden statt. Die Größe erreichte fast 5.000 Grabstellen. Ca. 2.100 Grabsteine sind heute noch sichtbar.

 

In Rödelsee gab es eine Judengasse und Armenhaus, sowie weitere Häuser in denen die Juden lebten. Die heutige Zehntgasse war früher die „Judengasse“. Im 17. Jahrhundert mussten sie Schutzgeld u.a. an Herrn von Crailsheim entrichten.

 

Unter anderem waren auch der Ur-Großvater von Henry Kissinger (ehemaliger amerikanischer Außenminister und Friedensnobelpreisträger), Abraham Kissinger und seine Frau Fanny in Rödelsee zu Hause. Sie wurden 1892 bzw. 1899 hier beigesetzt. Die Grabsteine, leider sehr verwittert, auf dem jüdischen Friedhof stehen heute noch. Deren Sohn David Kissinger wurde 1860 noch in Rödelsee geboren und starb 1947 in Stockholm.

 

1816 lebten in Rödelsee 112 jüdische Bürger/innen, das entsprach 15,5 % der Einwohner. Im Jahr 1900 waren es noch 46 Personen.

Für Juden war eine jüdische Gemeinde dann gegeben, wenn sie:

 

  1. Eine Synagoge hatte – bedeutete Gegenwart
  2. Über Unterrichtswesen verfügte – bedeutete Zukunft
  3. Einen Friedhof besaß – bedeutete Vergangenheit

 

Die Synagoge befand sich neben dem Bürgerhaus und wurde 1851 eingeweiht. Sie hatte 67 Sitzplätze (37 für Männer, 30 für Frauen). 1927 wurde sie, dank einer großzügigen Spende von Julius Klugmann renoviert. In der Reichspogromnacht 1938 wurde auch sie zerstört. Vier Stolpersteine weisen noch vor Ort auf das Geschehen und u.a. auf den letzten Friedhofsverwalter Hermann Löwenstein hin (Alte Iphöfer Str. 8).

 

Die Judenschule erreichte großes Ansehen. Im Jahr 1585 unterrichtete ein einäugiger Rabbi große Schülerzahlen mit 70-80 Schülern. Sie kamen sogar aus Worms und Frankfurt nach Rödelsee. Über seine Lehrmethoden hat sich ein Vorkommnis erhalten: Der Rabbi habe eine „Narrenkappe“ zurichten und sie jenen Schülern aufziehen lassen, welche in ihren Lektionen nicht bestanden hatten. Jeden Donnerstag pflegte der Rabbi die Schüler in hebräischer Sprache abzuhören. Wer nicht bestanden hatte, musste die Narrenkappe aufsetzen. Die übrigen Jungen aber liefen ihnen vom Rabbihaus bis zur Judenschule nach …

 

Rödelseer Juden hatten Anteil am großen Aufstieg der Weinhandelsstadt Kitzingen. 1864 kam der erste jüdische Weinhändler, Emil Hellermann, aus Rödelsee in die Ritterstraße. Im Jahr 1930 gab es in Kitzingen 107 Weinhändler, davon 69 jüdische und 38 christliche.

 

 

Peter Hess