Textgröße

Jüdisches Leben in der würzburgischen Amtsstadt Iphofen

Mit der Vernichtung der Jüdischen Kultusgemeinde während der „Rintfleisch-Verfolgung“ 1298 war nach bisher geltender Meinung jüdisches Leben in Iphofen erloschen. Die aktuelle Auswertung des Quellenbestands im Stadt- und Pfarrarchiv zeigt ein differenzierteres Bild. Trotz aller von christlichen Kaufleuten geforderten Beschränkungen durch bischöfliche Mandate blieben in Iphofen jüdische Familien über Jahrhunderte präsent. Jüdische Händler erwarben Wohnhäuser im Zentrum der Stadt, vor allem in der Judengasse (heute Heringsgasse) und auf dem Marktplatz, trugen mit ihrem breit gefächerten Angebot während der Jahrmärkte, aber auch als Vieh- und zeitweilig als Weinhändler zur städtischen Zentralität Iphofens für das Umland bei. Sie gewährten Kredite, unterstützten die Bürger durch das Verleihen von Kühen als Zugvieh, versorgten die Einwohner Iphofens und der Nachbarorte mit Lebensmitteln und vielfältigen „cramwaren“, beteiligten sich während des Dreißigjährigen Kriegs, aber auch während der Koalitionskriege maßgeblich an den Kontributionszahlungen und den von Besatzungstruppen geforderten Vieh- und Heulieferungen.

 

Eine Zäsur bildete das Ausweisungsdekret des Domkapitels vom 6. Mai 1683, das Handelsgeschäfte mit Juden untersagte, sie zwang, ihre Häuser in Iphofen zu verkaufen und die Stadt binnen sechs Wochen zu verlassen. Doch das Dekret wurde nur zögerlich umgesetzt, denn Iphöfer Handwerker waren für den Absatz ihrer Produkte ebenso auf jüdische Händler angewiesen wie Häcker, die ihren Wein vermarkten wollten.

 

Die Bürger befürchteten sogar, ohne jüdische Hilfe müssten „unsere arme weib undt kinder mehren theils nackent undt bloß gehen.“

 

Erst im 18. Jahrhundert gelang es christlichen Kaufleuten mit Unterstützung des Kammerrats Gallus Jakob, neue bischöfliche Dekrete für Iphofen zu erwirken und damit die jüdische Konkurrenz zu verdrängen. Die „Boveri-Krämer“ reaktivierten die alte, fast vergessene Hostienfrevellegende und rückten das Blutfließen aus einer angeblich von Juden geschändeten konsekrierten Hostie in den Vordergrund, um die Ausweisung jüdischer Familien zu rechtfertigen. Doch trotz aller Verbote kam der Handel Iphöfer Bürger mit jüdischen Geschäftspartnern nicht zum Erliegen.

 

Nach dem bayerischen Judenedikt von 1813 engagierten sich Iphöfer Handwerksmeister als Ausbilder für jüdische Lehrlinge aus den Nachbarorten. Bei Metzger Johann Brech bemühten sich jüdische Lehrlinge und Gesellen aus Hüttenheim, Dornheim und Obernbreit um Ausbildung und Prüfungsbescheinigungen. Als kompetente Ausbilder für jüdische Lehrlinge aus Rödelsee waren Schuhmacher Heinrich Rausch und Webermeister Erhard Uschold tätig. Die Eltern kümmerten sich um Verpflegung, die Lehrherren um Ausbildung und Unterkunft für die Lehrlinge.

 

Auch der Jüdische Friedhof Rödelsee findet in den Iphöfer Archivalien Berücksichtigung. Bereits 1447 wird der „judenkirchhoff“ bei Rödelsee in den Stadtgerichtsprotokollen erwähnt. Im August 1686 gab „Abraham jud“ beim Iphöfer Steinmetz Christoph Höhn „mauer arbeith zu Rödelsee ufm judenackher“ in Auftrag. Über die Herkunftsorte der Toten und die Zahl der Bestattungen auf dem „Rödelseer Leichhof“ geben die Iphöfer Amtsrechnungen Auskunft. Für 1802 wurden 42 Verstorbene aufgelistet (8 Männer, 13 Frauen und 21 Kinder). Als Heimatgemeinden wurden 1802 verzeichnet: Bullenheim (1), Dornheim (2), Hüttenheim (5), Kleinlangheim (3), Mainbernheim (6), Mainstockheim (4), Marktsteft (1), Nenzenheim (3), Obernbreit (2), Prichsenstadt (1), Rödelsee (6), Scheinfeld (1), Sickershausen (2) und Wiesenbronn (5).

 

 

Josef Endres