Mitte des 19. Jahrhunderts lebten 79 jüdische Personen in Segnitz. Das Zusammenleben zwischen Angehörigen von Judentum und Christentum verlief offensichtlich harmonisch. Jüdinnen und Juden nahmen am Gemeindeleben teil, Juden verrichteten den für alle vorgeschriebenen Frondienst und waren im Gemeinderat vertreten.
Zwischen 1848 und 1881 machte die „Brüsselsche Handelslehr- & Erziehungsanstalt“ Segnitz als Schulort weltbekannt. Es war eine Handelsschule mit Internat, die im Laufe ihres Bestehens nicht nur in jüdischen Kaufmannskreisen in aller Welt große Beachtung fand. Gegründet wurde die Einrichtung von Julius Brüssel, der bereits seit 1830 als Vorsänger und Religionslehrer der jüdischen Kultusgemeinde in Segnitz angehörte. Die Schule vermittelte neben „Elementar- und allgemeinen Lehrgegenständen“ Religion, deutsche Sprache, Geographie, Geschichte, Naturwissenschaften und natürlich alle kaufmännischen Fächer wie „kaufmännische Arithmetik und Correspondenz“, Buchführung, Wechsel-, Münz-, Maß- und Gewichtskunde, französische und englische Sprache.
Die Zöglinge stammten zum großen Teil aus jüdischen Familien. Daneben waren aber auch Kinder aus christlichen Familien zugelassen.
Der Unterricht fand im Hauptgebäude, dem sogenannten „Cours“, statt. Es lag am Mainufer im heutigen Gebäude Mainstraße 26. Die Quartiere für die Kinder befanden sich im Laufe der Zeit in mindestens vier verschiedenen Häusern des Ortes.
Nach Brüssels Tod 1855 übernahm der Sprachlehrer Prof. Ernst Emil Uttner die Leitung des Internats. 1859 trat Dr. Simon Levi Eichenberg als Direktor des Brüsselschen Instituts seinen Dienst an. Unter Eichenberg, der bis 1872 Vorstand blieb, erlebte die Handels- und Erziehungsanstalt eine Blütezeit, die Segnitz in der ganzen Welt bekannt machen sollte. Der Schulleiter setzte sich zudem für die Belange des Ortes ein. Er gründete einen Wohltätigkeitsverein zur Unterstützung von Armen, Kranken und Dienstboten, unterstützte die Brückenbaugesellschaft und war bei der Gründung des Gesangvereins dabei.
1869 besuchten 120 Schüler die angebotenen „Curse“. Laut Schulprospekt handelte es sich dabei um 5 Amerikaner, 75 Österreicher, 5 Preußen, 6 Württemberger, 2 Thüringer, einen Italiener, 23 Bayern, 2 Russen und einen Mecklenburger.
1872 stieg die Zahl auf 148, im Wintersemester 1872/73 sogar auf 154 Internatsschüler. Im Laufe der 1870er Jahre gingen die Schülerzahlen jedoch stetig zurück.
Ab 1875 leitete Samuel Spier, der Neffe Eichenbergs, das Institut. Obwohl die Einrichtung noch immer in höchsten Tönen gelobt wurde, zeichnete sich allmählich ein Rückgang an. 1881 schloss Spier das „Brüsselsche Handelsinstitut“ und verkaufte die Gebäude.
Norbert Bischoff
Quellen und Literatur
Bischoff, Norbert: „Segnitzer Gschichtn“ – Neues aus dem alten Segnitz, Nr. 84