Nach 1830 lebten mehr als 100 Personen jüdischer Konfession im katholischen Sommerach mit seinen mehr als 700 Bewohnerinnen und Bewohnern. Unbehelligt von ihren christlichen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern gingen sie ihren verschiedenen Handelsgeschäften nach. In einem Winzerort war es fast selbstverständlich, dass einige von ihnen auch mit Weinhandel und sogar -anbau ihren Lebensunterhalt verdienten.
Wein spielt in der jüdischen Kultur eine wichtige Rolle. Zu einer Sabbatfeier gehört der Wein. Aber es sind an diesem Festtag für streng gläubige Jüdinnen und Juden bestimmte Regeln einzuhalten.
Weil Gott Himmel und Erde in sechs Tagen geschaffen hat und sich am siebten von seinem Schöpfungsakt ausgeruht hat, ist auch von Freitagabend bis Samstagnacht ein Ruhetag für gläubige jüdische Personen.
Sie dürfen keine schöpferische Arbeit verrichten und auch kein Feuer oder Licht machen oder Wärme erzeugen, denn dadurch wird ja Neues geschaffen. Aber wie konnte man am Sabbat essen und gleichzeitig die strengen Vorschriften einhalten? Trinken war nicht das Problem, sondern die Essenszubereitung.
Der Sommeracher Spenglermeister Gottlieb Waldorf schuf Abhilfe. Man kann ihn einen Pionier nennen. Denn woran heute in Israel das Zomat-Institut arbeitet – nämlich an einem Gerät, das auch am Sabbat genutzt werden kann – das nahm Waldorf schon 150 Jahre zuvor vorweg.
Er nannte seine fortschrittliche Erfindung „Sabbat-Kochmaschinen“ und machte dafür Reklame in der Zeitschrift „Der Israelit“.
Für gläubige Jüdinnen und Juden müssen Speisen vorgekocht und sollten nach Möglichkeit warmgehalten werden. Genau diese Warmhalte-Funktion besaß die Kochmaschine des Gottlieb Waldorf. Nach Angaben des Erfinders hielt sie 24 Stunden die Wärme mittels eines billigen Brennstoffes.
Weil auch bestimmte Speisen nach dem jüdischen Essensritual getrennt sein müssen, hatte das Gerät laut Reklametext verschiedene „Abteilungen (wohl Töpfe) zu Fleisch- und Milchspeisen in beliebiger Größe“ und auch je ein Behältnis für Kaffee und Milch.
Der Erfolg gab ihm Recht, denn er hatte laut eigener Aussage Aufträge „aus den entferntesten Gegenden“. Er war „gesonnen, einen Lehrling, israelitischer Konfession, welcher eine gute Erziehung genossen hat, in die Lehre zu nehmen“.
Anscheinend klappte das, denn in der letzten Anzeige aus dem Jahr 1884 erscheint als Unterzeichner „Gottlieb Waldorfs Nachfolger, Sommerach am Main.“
Der Handwerksmeister und Erfinder selbst, dessen Geburtsjahr nicht bekannt ist, war zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben und in Rödelsee 1878 begraben worden. Seine Frau Betty hat er um zwei Jahre überlebt.
Elmar Hochholzer
Quellen und Literatur
Eigene Archivrecherchen, Alemannia Judaica/Sommerach und Kappelmann, Jüdischer Bezirksfriedhof Rödelsee, Bestattungsreihenfolge Sommerach 41–62.
Der Autor dankt Frau Elisabeth Böhrer (Sondheim vor der Rhön) für uneigennützige Hinweise.