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Jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg

Am Ende des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte ein gutes Verhältnis zwischen den jüdischen und den christlichen Bürgern Marktbreits.

 

Man lebte nachbarschaftlich miteinander, lud sich zu Familienfeiern gegenseitig ein, saß in den Gastwirtschaften beim Stammtisch nebeneinander, sang in den Gesangsvereinen miteinander, stählte seinen Körper im Turnverein. Bei der Gründung des Marktbreiter Sportclubs 1911 waren von den 18 Gründungsmitgliedern sechs jüdischer Abstammung (Abraham Goldbach, Jakob Berliner, Hugo Klein, Max Rothschild, Isidor Schiff, Emil Weinberg – siehe Jubiläumsschrift des SCM).

 

Abraham Lauber war Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Turnverein und im Veteranen- und Kampfgenossenverein. Hugo Klein war nicht nur Fußballfan, er war auch leidenschaftlicher Sänger im Musik- & Gesangs-Verein Marktbreit, dessen Vergnügungskommissar er Anfang des 20. Jahrhunderts war (Protokollbuch des Vereins). Es gibt noch viel mehr Beispiele für ein gelungenes Miteinander.

 

Jüdische Geschäfte machten Sonderverkäufe zu christlichen Feiertagen und Festen. Zum Beispiel das Textilgeschäft Rindsberger für Weihnachten (MWB 10.12.1888), oder A. Goldbach für die Konfirmation.

 

Ebenso gab es Veröffentlichungen von christlichen Kaufleuten für Artikel zu jüdischen Festtagen. Otto Ruth preist seine Backwaren für Purim an, (MWB 28.2.1907) oder F. Ernst Palmin Pessach, Margarine Pessach oder F. Düsel verkauft koscher Rindfleisch. (MWB 27.8.1892)

 

Am 29. Juni 1886 fand die offizielle Trauerfeier für König Ludwig II in der Marktbreiter Synagoge statt (Siehe MA 29.6.1886). Es nahmen alle Magistrats- und königliche Beamten teil.

 

Am 25.1.1898 übermittelt das Marktbreiter Wochenblatt die innigsten Glückwünsche zum 80. Geburtstag von Salomon Wohl, ehemaliger Magistratsrat und Stadtkämmerer.

Im Marktbreiter Anzeiger vom 18.11.1905 wird ein Aufruf zugunsten der ermordeten und beraubten russischen Juden veröffentlicht, mit dem Vermerk, dass die Expedition des Marktbreiter Anzeigers sich bereit erklärt hat, Spenden entgegen zunehmen und weiterzuleiten.

 

All diese Veröffentlichungen zeigen ein gutes Miteinander.

Als am 1.8.1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, meldeten sich christliche und jüdische junge Männer gleichermaßen (z. B. Joseph Astruck).

Auch der jüdische Lehrer und Kantor Brückheimer zog in den Kampf für sein Vaterland.

 

Am 6.8.1914 veröffentlichten Goldbach und Rothschild im Marktbreiter Anzeiger folgenden Text:

„Um falschen Gerüchten entgegen zutreten, erklären wir hiermit, dass unser Geschäft trotz unserer Einberufung zur Front, in unveränderter Weise weitergeführt wird und bitten ein verehrliches Publikum uns treu zu bleiben.“

 

Leider gibt es im Stadtarchiv Marktbreit keine Liste der Soldaten, die im Krieg gekämpft haben. Es gibt nur die Liste der gefallenen und vermissten Marktbreiter.

 

Es gibt Unterlagen (A064/3), dass Jenny Klein für 1500 M Kriegsanleihen zeichnete ebenso Hugo Klein.

Im gleichen Akt findet sich auch ein Schreiben des Kommandanten des 18. Infanterie-Regiments Prinz Ludwig Ferdinand, dass der Kriegsfreiwillige Joseph Astruck für eine besondere Waffentat das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen bekam. Er hatte sich an der Somme seit dem 18.9.1915 wacker geschlagen und fiel 1917 in Frankreich.

 

Auf dem jüdischen Friedhof in Rödelsee wird mit einem Denkmal der gefallenen jüdischen Soldaten aus den Gemeinden im Landkreis Kitzingen, die ihre Toten dort bestatteten, gedacht.

 

Nicht alle Gefallenen konnten in heimatlicher Erde beerdigt werden.

Abraham Lauber fiel 1917 in Russland, wurde dort begraben, seine Familie ließ den Leichnam nach Marktbreit überführen und in Rödelsee bestatten.

Wir können der Dankesanzeige seiner Frau, die am 29.1.1918 im Marktbreiter Anzeiger erschien, entnehmen, dass die Beerdigung mit militärischen Ehren stattfand. Sie bedankt sich bei dem Veteranen – und Kampfgenossenverein, der Freiwilligen Feuerwehr und den Kriegervereinen aus Rödelsee und Mainbernheim für das ehrenvolle Geleit.

 

Im Protokollbuch 3 des Krieger- und Kampfgenossenvereins Marktbreit

steht am 15.1.1918 unter Punkt I.: Bei der Überführung des Mitgliedes Kamerad Abraham Lauber…..in heimatlicher Erde bestattet wird (Rödelsee), soll der Verein sich beteiligen und das dafür benötigte Fuhrwerk aus der Vereinskasse bezahlt werden.

 

Man lebte und arbeitete miteinander, zog miteinander in den Krieg, kämpfte mutig fürs Vaterland und starb im Kampf. Auch die Trauer trug man gemeinsam.

Das beweisen die Kriegerdenkmale in Marktbreit, das an der ehemaligen Synagoge und vor der St. Nikolai Kirche. In der Schillerallee stehen die Gedenksteine für die gefallenen Mitglieder des Marktbreiter Turnvereins und des Sportclubs Marktbreit.

Nie hat jemand die Namen der jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs aus den Ehrenmalen löschen lassen. Auch nicht zwischen 1933 und 1945 in der Zeit der Nationalsozialisten. Der Respekt vor dem Heldentod bestand immer.

 

Das in hebräischen Buchstaben beschriftete Denkmal an der Synagoge wurde zwar entfernt und im Keller verstaut, aber erhalten. Heute ist es wieder an der Rückseite der ehemaligen Synagoge in der Schustergasse für alle zu sehen.

1921 stellte der Veteranen- und Kampfgenossenverein den Antrag an den Stadtrat zur Errichtung eines Ehrenmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.

Der Stadtrat Marktbreit stimmte diesem Antrag in seiner Sitzung vom 1.3.1921 einstimmig zu. (A061/1)

Es wurden verschiedene Standorte diskutiert. Der Platz vor dem Amtsgericht (heute Schlossplatz), vor dem Lagerhaus (Adam-Fuchs-Straße) und vor der evangelischen St. Nikolai Kirche waren in der Diskussion. Man entschied sich für den heutigen Standplatz vor der Kirche in der Pfarrgasse.

 

Die Stadt beauftragte den Münchner Kunstprofessor Fritz Fuchsberger mit dem Entwurf. Wie man dem Briefwechsel zwischen dem Professor und der Stadt entnehmen kann, dauert es bis man sich, auch aus finanziellen Gründen, einig war. Man gründete einen Fond zur Durchführung. In dem Aufsichtsgremium für die Spenden saß auch der Stadtrat Abraham Goldbach. Aus München kam eine Spende von Julius Astruck in Höhe von 1000 M. Viele Marktbreiter Familien  beteiligten sich mit Spenden nach ihrem Vermögen.

 

Es wurden örtliche Handwerker mit der Durchführung beauftragt. Da der Bayer. Kriegerbund am 6.8.1922 den 2. Gautag in Marktbreit durchführen wollte, wurden die Arbeiten beschleunigt. Mit großem Programm (siehe Festprogramm vom 6.8.1922 /A061/3) wurde das Denkmal enthüllt. Der Marktbreiter Anzeiger brachte einen mehrseitigen Bericht am 8.8.1922 und es wurde ein Faltblatt gedruckt, auf dem alle Gefallenen und Vermissten des Krieges gelistet waren.

 

Die Stadt Marktbreit gedenkt noch heute am Volkstrauertag den Opfern aller Kriege und kriegerischer Auseinandersetzungen vor dem Denkmal, auf dem auch die Namen der jüdischen Soldaten eingemeißelt sind, die für ihr Vaterland gekämpft haben und gefallen sind.

Astruck Joseph

Astruck Simon

Goldstein Martin

Lauber Abraham

Putzel Julius.

 

 

Christiane Berneth